Von Lebensbaum bis Glücksvögel
Wenn man an Hindeloopen denkt, denkt man automatisch an die typische Hindelooper Malerei. Auch Shen Yuan, die den Flora & Fauna Brunnen in Hindeloopen gestaltet hat, war beeindruckt von der handwerklichen Malerei und der Geschichte dieser besonderen Stadt.
Selbstsicher führt Titus Stallmann seinen Pinsel über das Holz. Unter seinen flinken Fingern entstehen von selbst Blumen, Blätter, ein Vogel… „Jetzt muss ich gut aufpassen, das muss auf Anhieb klappen“, sagt Titus, während er eine gerade Linie zieht. „So, das steht.“ Wir befinden uns im Geschäft von Roosje Hindeloopen, wo die traditionelle Malerei angewandt wird. Überall, wo man hinschaut, stehen Gegenstände im Hindelooper Stil bemalt. Alle Malerei stammt von Titus. Gemeinsam mit seinem Bruder Johan leitet er Roosje Hindeloopen: Johan stellt die Möbel her, Titus bemalt sie.
Urgroßvater Arend Roosje
Titus und Johan sind die vierte Generation, die diese Kunstform ausübt. Es war ihr Urgroßvater, der 1896 bei dem Gründer der Hindelooper Malerei, Arend Roosje, in die Lehre ging. Als dieser 1914 starb, führte die Familie Stallmann das Geschäft weiter. Seitdem wird es von Vater zu Sohn weitergegeben. Titus erzählt mit großem Stolz von der Geschichte seiner Familie, der Stadt und des Handwerks. „Die Malerei, wie wir sie heute ausüben, entstand bereits im 17. Jahrhundert. Damals war Hindeloopen auf die Schifffahrt ausgerichtet. Die Schiffe fuhren hauptsächlich nach Skandinavien für den Holzhandel. Dort kamen sie mit der traditionellen skandinavischen Malerei in Berührung.“ Die Schifffahrt machte Hindeloopen zu einer wohlhabenden Stadt. Die Einwohner hatten die Mittel, ihre Häuser mit luxuriösen Holzschnitzereien zu verzieren. Einige Kapitäne und Kommandeure ließen sogar Maler aus Skandinavien anreisen, um ihre Häuser im traditionellen Stil zu bemalen. Um zu verhindern, dass die Holzschnitz- und Malereiarbeiten verschwinden würden, griffen Handwerker selbst zu Pinsel und Meißel. Einer von ihnen war Arend Roosje. Er orientierte sich an der skandinavischen Malerei, verlieh ihr jedoch seine eigene Note. So legte er den Grundstein für die Malerei, wie wir sie heute kennen.
Chinesische und friesische Paradiesvögel
Titus inspirierte die chinesische Künstlerin Shen Yuan mit seiner Geschichte. Sie durfte den Brunnen für Hindeloopen gestalten. Seine Geschichte und das Stadtwappen von Hindeloopen verbanden sich mit dem künstlerischen Erbe von Shen Yuan. Sie schuf einen Brunnen, der aus einem Kupfer-Lebensbaum besteht, umgeben von zwei Geweihen. In dem Baum befinden sich fünf Paradiesvögel, auch Glücksvögel genannt, die für eine sichere Fahrt stehen. „Seefahrer nahmen sie oft mit auf ihre Reisen“, erzählt Titus. „Deshalb findet man den Glücksvögel im Wappen von Hindeloopen, aber auch in den Mustern meiner Malerei. Der Brunnen enthält also eine subtile, aber sehr schöne Anspielung auf unser Handwerk.“ Während der Kupfer-Lebensbaum und die Vögel in China von einheimischen Handwerkern gefertigt wurden, arbeiteten in Hindeloopen fleißige Hände an dem Holzgeweih. Titus gesteht ehrlich, dass es hauptsächlich sein Bruder Johan war, der am Geweih arbeitete: „Er ist schließlich der Mann für Holz. Ich bin glücklich, dass Shen Yuan die Hindelooper Geschichte und unser Handwerk auf so schöne Weise in ihren Brunnen eingebaut hat. Es ist ein Kunstwerk, auf das unsere Stadt stolz sein kann.“